Die FDP versucht nach dem umstrittenen «D-Day»-Papier ein Comeback. Parteichef Christian Lindner betonte die Notwendigkeit eines politischen Wechsels in Deutschland. Lindner hob zudem die Bedeutung für die FDP hervor, dass der frühere Justizminister Marco Buschmann neuer Generalsekretär wird. Buschmann soll an zentraler Stelle für den bedrohten Wiedereinzug in den Bundestag sorgen.
Lindner sagte nach der Sitzung von Parteigremien in Berlin, in der Parteizentrale habe es nach dem Scheitern der Ampel «Prozessfehler und kommunikative Fehler» im Umgang mit Szenen aus internen Sitzungen und internen Dokumenten gegeben. «Das bedauern wir sehr, weil dadurch die Lauterkeit unserer Motive von unseren politischen Gegnern infrage gestellt werden konnte.» Lindner und Buschmann kündigten die Aufarbeitung von Fehlern an.
Am Freitag war Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurückgetreten. Er zog damit die Konsequenzen aus dem Bekanntwerden eines umstrittenen Strategiepapiers der Liberalen zum Ampel-Ausstieg. In dem Papier wird der mögliche Ausstieg der FDP aus der Koalition mit militärischen Begriffen wie «D-Day» und «offener Feldschlacht» beschrieben. Lindner sprach von schmerzhaften personellen Konsequenzen. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann war zurückgetreten. Er hatte laut Buschmann das Papier verfasst.
Lindner sprach mit Blick auf das Scheitern der Ampel von einer Deutungsschlacht. «Es geht darum, die FDP zu zerstören, damit danach die eigenen Machtoptionen für SPD oder Grüne verbessert werden.» Alle Ampel-Partner hätten sich auf ein mögliches Ampel-Aus vorbereitet. Mit zunehmender Nähe zum notwendigen Beschluss des Haushaltes 2025 sei klargeworden, dass die Gemeinsamkeiten kleiner wurden. Die Wahrscheinlichkeit auch eines Scheiterns der Koalition sei gewachsen. Die FDP habe niemals im «Herbst der Entscheidung» eine Art Ampel-Garantie abgegeben.
Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrach Anfang November nach einem erbitterten Streit um den Kurs in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Kanzler Olaf Scholz (SPD) feuerte seinen Finanzminister Lindner und besiegelte das Ende der Koalition.
Lindner nannte Buschmann die einzige denkbare Option als neuen Generalsekretär. Er wisse nicht, ob er die Kraft gehabt hätte, ohne Buschmann ein Comeback der FDP zu erreichen, sagte der Parteichef. Buschmann kenne die Parteizentrale wie seine Westentasche. Er war früher Bundesgeschäftsführer.
An einen Rücktritt habe er nicht gedacht, sagte Lindner. «Aber es wäre unendlich viel schwerer gewesen, in der gegebenen Lage, in der Kürze der Zeit, ein Comeback für die FDP zu organisieren ohne Marco Buschmann.» Buschmann sei der beste Wahlkampfplaner und Programmatiker der FDP seit vielen Jahrzehnten.
Lindner wies Berichte zurück, wonach er zunächst die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann für den Posten als Generalsekretärin vorgesehen habe.
Lindner sagte in der ARD-Sendung «Caren Miosga» am Sonntagabend, man müsse «mehr Milei oder Musk wagen». Gemeint sind der ultraliberale argentinische Präsident Javier Milei und der Tech-Milliardär Elon Musk, der dem designierten neuen US-Präsidenten Donald Trump bei der Kürzung von Regierungsausgaben helfen soll. Beide sind heftig umstritten.
Lindner sagte nach der Sitzung der Parteigremien, er sei sich im Klaren über die Scharfkantigkeit dieser beiden Personen. «Ich verkenne nicht, dass es hier auch Problematisches gibt. Aber was mich beeindruckt, ist dort die Kraft zur Disruption, eine Wende herbeizuführen, wenn ein Abstieg droht. Und das fehlt uns in Deutschland.» Die Ampel-Koalition habe sich blockiert. Kanzler Scholz sei in Ängsten gefangen.
Buschmann sagte mit Blick auf Milei: «Die Idee ist ja jetzt nicht, dass ich mir wirre Haare wachsen lassen und mit einer Kettensäge hier demnächst durch Berlin-Mitte laufe.» Es gehe aber um die Frage, ob es der Staat in vielen Bereichen übertrieben habe. Der Staat habe sich verzettelt, sagte Buschmann mit Blick etwa auf viel Bürokratie. Der Exzentriker Milei war im Wahlkampf mit laufender Kettensäge aufgetreten.
Bei der Wahl gehe es um eine Richtungsentscheidung, sagte Lindner. Einen neuen Aufschwung für Deutschland gebe es nur mit einer Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Lindner schloss eine Koalition mit Scholz aus. Dies sei für die FDP nach den Erfahrungen der Ampel nicht vorstellbar.
Wenn jetzt irgendwas komme, was ähnlich sei wie die große Koalition oder die Ampel, also Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot, dann sei seine Sorge, dass die wesentlichen wirtschaftlichen Probleme wieder vier Jahre nur verwaltet würden, so der FDP-Chef. Dann würde es im Jahr 2029 möglicherweise niederländische Verhältnisse in Deutschland geben. «Das will ich nicht, sondern ich möchte, dass Deutschland ein liberales, weltoffenes Land bleibt.»
Buschmann sagte, es gehe um die Frage, ob die Wirtschaft mit einem «Gängelband» der Subventionen dirigiert werde – oder ob man wie die FDP an unternehmerische Initiative und Wettbewerbsfähigkeit glaube.
Für die FDP könnte es aber eng werden bei am 23. Februar geplanten Neuwahl. Die Liberalen müssen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Aktuell steht die Partei in den Umfragen bei 3 bis 5 Prozent.
Die Frage ist auch, ob und wie die FDP-Basis mitzieht. Bei der Basis-Initiative «Weckruf» stieß Buschmanns Nominierung als neuer Generalsekretär auf Unmut. «Mit Ernüchterung nehmen wir vom Weckruf Freiheit die Berufung von Marco Buschmann zum Generalsekretär der FDP zur Kenntnis», sagte «Weckruf»-Mitinitiator Alexander-Georg Rackow dem «Spiegel». Mit Buschmann werde einer der Architekten der missglückten Projekte der Ampel-Regierung erneut an zentraler Stelle in Verantwortung kommen.
Quelle: dpa