Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erhofft von der künftigen deutschen Bundesregierung die Rückkehr zu einem eindeutig proeuropäischen Kurs. «Es ist zu wünschen, dass die neue deutsche Bundesregierung, wenn sie in Amt und Würden ist, einen klaren Pro-Europa-Kurs steuert», sagte Juncker der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe auch, dass sich das für Europa wichtige deutsch-französische Verhältnis «im ersten Halbjahr 2025 in eine bessere Richtung bewegt».
«Man hatte sich daran gewöhnt, dass Deutschland zu den proeuropäischen Kräften ohne Nuancen zählt», sagte Juncker. «Das ist nicht mehr so.» In den vergangenen Jahren habe man oft die deutsche Position zu bestimmten Sachfragen nicht mehr klar erkennen können. Die Bundesregierung habe sich immer dann enthalten, wenn die Koalitionspartner sich nicht auf einen Standpunkt einigen konnten. «Es hat eine Unmenge von deutschen Enthaltungen gegeben. Enthaltung ist aber keine Haltung.»
Juncker fügte hinzu: «Und es stimmt mich missvergnügt, dass ein großes Land – Deutschland ist ja immer das größte Land – manchmal sprachunfähig in Brüssel ist. Das ist kein guter Zustand und auch der Respektabilität und der Autorität deutscher Meinungsäußerung nicht zuträglich.»
Auch in Frankreich müsse wegen der fehlenden Regierungsmehrheit «die aktive Regierungsfähigkeit mit einem Fragezeichen versehen» werden: «Was nicht gut ist, denn es braucht mehr gemeinsames Handeln der Deutschen und der Franzosen in Europa, um diesem Stillstand, den es in Europa mancherorts gibt, ein Ende zu bereiten.»
Die deutsche Antwort auf Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für mehr gemeinsames Handeln sei «ziemlich zurückhaltend bis mickrig» gewesen. Das sei auch für Europa nicht gut. «Deshalb ist es wünschenswert, dass auch das deutsch-französische Verhältnis sich bessern wird, wenn eine neue deutsche Bundesregierung im Amt ist.» Dies habe mit Parteizugehörigkeiten nichts zu tun: «Mir reicht es, wenn der nächste deutsche Bundeskanzler einen proeuropäischen Kurs steuert.»
Quelle: dpa