Großbritannien

Missbrauch in England - Wie Elon Musk die Debatte befeuert

08. Januar 2025 , 07:30 Uhr

Großbritannien wird von früheren Missbrauchsfällen eingeholt. In der Politik tobt ein Streit über die Deutungshoheit in der Aufarbeitung. Das hat auch mit Elon Musk zu tun.

Rochdale, Rotherham, Telford. Es sind unscheinbare Städte in England, die Namen aber haben sich als mahnende Beispiele eingebrannt in das kollektive Gedächtnis Großbritanniens. Die Erinnerung an die Skandale mit hunderten jungen Missbrauchsopfern wird in diesen Tagen immer wieder hervorgeholt – in einem politisch aufgeladenen Streit der Parteien über die Aufarbeitung, an dem Tech-Milliardär Elon Musk mit radikalen Wortmeldungen großen Anteil hat.

Aus der Ferne prangert der 53-Jährige immer wieder die Labour-Regierung des noch recht neuen Premierministers Keir Starmer an, für den Musk wegen angeblicher Verschleppung der Missbrauchsvorwürfe in einem früheren Job eine Haftstrafe fordert. Der Premier konterte am Montag und sagte, ohne Musks Namen zu nennen, über die, die «Lügen und Fehlinformationen» verbreiten würden: «Sie sind nicht an den Opfern interessiert, sondern an sich selbst.»

Skandale, die das Land erschütterten

Im Kern der Affäre geht es um Skandale in mehreren Städten mit verschiedensten Tätergruppen und Vorgehensweisen, die in den 2000er- und 2010er-Jahren in Großbritannien an die Öffentlichkeit kamen. In einer Untersuchung der Vorwürfe in Rotherham kam die Professorin Alexis Jay 2014 zu dem «konservativ» geschätzten Ergebnis, dass zwischen 1997 und 2013 1.400 Kinder und Jugendliche organisiert ausgebeutet und sexuell missbraucht wurden.

Es folgten, wie auch bei ähnlich gelagerten Skandalen etwa in Rochdale und Telford, Ermittlungen und Prozesse, Täter wurden verurteilt. Es blieb aber vor allem die Erkenntnis, dass Behörden teils versagt und weggeschaut hatten bei den Verbrechen der «grooming gangs» – der Banden, die Mädchen und Frauen sexuell ausbeuten. Der Begriff prägt auch die heutige Debatte.

Jay schrieb über Rotherham, es sei ein Fehler gewesen, nicht öffentlich zu thematisieren, dass ein Großteil der bekannten Täter aus Pakistan stammte. Entsprechend schwer wiegt in der Debatte auch heute noch der politische Teil über Rassismus und Integration. Eine auch von Jay geleitete, langjährige und teure unabhängige Untersuchung für England und Wales kam dem 2022 veröffentlichten Bericht zufolge zu dem Schluss, der sexuelle Missbrauch von Kindern sei eine «Epidemie».

Die Verbindung zu Starmer: Der heutige Premier war von 2008 und 2013 Chef der Anklagebehörde Crown Prosecution Service (CPS), die nach Ermittlungen der Polizei über das weitere Vorgehen entscheidet. Zu den Vorwürfen, er habe nicht genug getan, sagt er unter anderem, er habe die Strafverfolgung in Rochdale erst ins Rollen gebracht.

Warum wird jetzt wieder diskutiert?

Aufgekommen waren die Anschuldigungen rund um den Jahreswechsel im Zuge einer Anfrage aus Oldham aus dem vergangenen Jahr für eine von der Regierung geleitete Untersuchung der Missbrauchsvorfälle in der eigenen Stadt. Das Innenministerium lehnte ab und verwies auf die Verantwortung der Stadtverwaltung. 

Daraufhin forderte Oppositionsführerin Kemi Badenoch eine umfassende Untersuchung der Vergewaltigungsskandale, und dann war auch Musk mit seiner enormen Reichweite im Internet an Bord – mutmaßlich vor allem, um erneut gegen die sozialdemokratische Labour-Regierung zu wettern. In einer Umfrage auf seiner Plattform X ließ er abstimmen, ob Amerika «das britische Volk von ihrer tyrannischen Regierung» befreien sollte.

An den Skandalen an sich geht das politische Ränkespiel vorbei. Es habe genügend Untersuchungen gegeben, sagte Jay am Dienstag der BBC. Der Streit lenke «von den eigentlichen Problemen ab». 

Im 2022er-Bericht waren etliche Handlungsempfehlungen gegeben worden, zwischenzeitlich hatte sich Jay frustriert gezeigt, dass nicht darauf eingegangen worden sei. Am Dienstag betonte die Regierung auf Anfrage der Nachrichtenagentur PA, mit Hochdruck an der Umsetzung einiger Empfehlungen, etwa einer Meldepflicht, zu arbeiten.

Quelle: dpa

 

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