Nordkoreaner für den Krieg?

Selenskyj befürchtet bald Kriegseinsatz von Nordkoreanern

25. Oktober 2024 , 18:10 Uhr

Seit Tagen kursieren Berichte über Tausende nordkoreanische Soldaten in Russland. Der ukrainische Präsident Selenskyj warnt vor einer Eskalation. Auch Kremlchef Putin meldet sich noch einmal zu Wort.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rechnet damit, dass Russland von Sonntag oder Montag an nordkoreanische Soldaten in seinem Angriffskrieg einsetzt. «Das ist eine klare Eskalation», teilte Selenskyj im Kurznachrichtendienst X mit. Er berief sich auf Geheimdienstinformationen, nach denen die Soldaten vom 27. oder 28. Oktober an in der Kampfzone eingesetzt werden sollen. Das zeige klar die Absicht von Russlands Präsident Wladimir Putin, den Krieg fortzusetzen. 

Der Kremlchef hatte diese Woche die Berichte über eine Verlegung und Ausbildung von nordkoreanischen Soldaten nicht bestritten und auf eine mit Pjöngjang vereinbarte militärische Zusammenarbeit verwiesen. Zugleich betonte er erneut Russlands Bereitschaft zu Verhandlungen für eine Lösung in dem Konflikt.

Selenskyj forderte angesichts der neuen Bedrohung durch die womöglich an der Seite Russlands kämpfenden Soldaten «eine prinzipielle und starke Reaktion der führenden Politiker der Welt.» Es brauche spürbaren Druck auf Moskau und Pjöngjang. 

Putin: Nordkorea und Russland sind souveräne Staaten

Putin hatte zuvor gesagt, dass es Russlands Angelegenheit sei, mit wem es militärisch zusammenarbeite. Es handele sich bei Nordkorea und Russland um souveräne Staaten. Russische Staatsmedien zitierten Putin am Freitag zudem mit einer Aussage, dass die Ukraine schließlich auch im Westen ihre Partner wähle. «Uns wird immer wieder gesagt, dass es der Ukraine überlassen bleibt, wie sie ihre Sicherheit gewährleistet – mit oder ohne Nato», sagte Putin in einem Interview des russischen Staatsfernsehens.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Berichte über die Truppenverlegung als «sehr besorgniserregend». «Das kann man gar nicht unterschätzen», sagte er während seiner Indien-Reise vor Journalisten. 

Russland hatte seinen Krieg gegen die Ukraine auch mit der Begründung begonnen, dass es sich durch den angestrebten Nato-Beitritt Kiews in seiner Sicherheit bedroht sehe. Moskau beklagt immer wieder, dass der Westen die Bedenken nicht ernst nehme. In dem Interview äußerte Putin die Hoffnung, dass sich im Westen vielleicht etwas ändere in der Einstellung zu Russland. «Je eher sie die Perspektivlosigkeit dieses Vorgehens erkennen in Bezug auf Russland, desto besser für alle – und dabei vor allem auch für sie selbst.» 

Ukrainischer Geheimdienst: Nordkoreaner schon in Kursk

Nach Erkenntnissen des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR sind erste Soldaten aus Nordkorea im umkämpften russischen Gebiet Kursk angekommen. Die Einheiten seien zuvor im Osten Russlands auf Truppenübungsplätzen ausgebildet worden, teilte der Geheimdienst in seinem Kanal bei Telegram mit. Ihre Ankunft im Raum Kursk, wo ukrainische Truppen nach ihrer Invasion Anfang August bis heute Dutzende Ortschaften besetzt halten, sei bereits am Mittwoch registriert worden. 

In Kursk könnten die Nordkoreaner die russischen Truppen in ihrem Kampf unterstützen, die Region von den ukrainischen Einheiten zu befreien. Putin hatte zum Abschluss des Brics-Gipfels am Donnerstag in Kasan erklärt, dass die ukrainischen Truppen dort unter Druck seien. Er erklärte auch, Russland und Nordkorea hätten einen allumfassenden Vertrag über ihre strategische Partnerschaft geschlossen, der auch eine militärische Zusammenarbeit beinhalte. Vereinbart wurde darin auch ein gegenseitiger Beistand für den Fall, dass ein Land angegriffen wird.

Ukraine: 12.000 Nordkoreaner in Russland

Der ukrainische Geheimdienst geht davon aus, dass derzeit etwa 12.000 nordkoreanische Soldaten in Russland sind, unter ihnen 500 Offiziere und 3 Generäle aus Pjöngjang. Kiew befürchtet, dass die Truppen bei der Invasion in der Ukraine eingesetzt werden – für Pjöngjang auch mit dem Ziel, Erfahrungen in moderner Kriegsführung zu sammeln. Die USA hatten hingegen berichtet, sie hätten Erkenntnisse über 3.000 Soldaten aus Nordkorea in Russland. Unklar sei aber, mit welchem Ziel sie dort seien.

Für die Koordination des Einsatzes soll nach Angaben aus Kiew der stellvertretende russische Verteidigungsminister Junus-bek Jewkurow zuständig sein. Experten hatten zuvor auf Probleme hingewiesen, darunter vor allem auch Sprachbarrieren. Ausgestattet worden seien die Nordkoreaner mit Munition, Bettwäsche, Winterkleidung und Schuhen sowie Hygieneartikeln, darunter monatlich 50 Meter Toilettenpapier und 300 Gramm Seife, teilte der HUR in Kiew mit.

Vertrag über strategische Partnerschaft

Putin betonte in dem Interview mit dem Staatsfernsehen, dass der Artikel vier im Vertrag über die strategische Partnerschaft zwischen Moskau und Pjöngjang noch ausgestaltet werden müsse. Es sei das Recht beider Länder, Manöver abzuhalten, militärische Vorbereitungen zu treffen und Erfahrungen zu übertragen. «Das ist unsere Angelegenheit», betonte Putin. Südkorea, das die Verlegung der Soldaten aus Nordkorea ebenfalls öffentlich gemacht und scharf kritisiert hatte, sieht darin eine Verletzung der UN-Charta.

Der Artikel vier des russisch-nordkoreanischen Vertrags besagt: «Ist eine der Vertragsparteien einem bewaffneten Angriff eines Staates oder mehrerer Staaten ausgesetzt und befindet sie sich daher im Kriegszustand, so leistet die andere Vertragspartei unverzüglich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln militärischen und sonstigen Beistand im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen und im Einklang mit den Gesetzen der Russischen Föderation und der Demokratischen Volksrepublik Korea.»

Insgesamt sieht Putin derzeit nach eigenen Angaben keinen Willen auf ukrainischer Seite, eine Lösung in dem Konflikt zu finden. «Wir sind bereit, Kompromisse zu suchen», sagte Putin. Er schäme sich aber nicht zu sagen, dass eine Lösung auf Grundlage der realen Lage auf dem Schlachtfeld nur «zum Vorteil» für Russland möglich sei, es werde keine Zugeständnisse an die Ukraine geben.

Quelle: dpa

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